«Es braucht eine gesetzliche Grundlage für kantonale Finanzspritzen»

Die Basler Privatspitäler-Vereinigung wollte von Prof. Dr. iur. Tomas Poledna wissen, wie die rechtliche Situation bei der finanziellen Unterstützung von Spitälern im Kanton Basel-Stadt aussieht. Er kommt in seinem Rechtsgutachten zum Schluss, dass in Basel-Stadt eine gesetzliche trägerschaftsneutrale Grundlage für die Ausrichtung von Finanzhilfen zur Deckung von Betriebsdefiziten an Spitäler fehlt.

Herr Poledna, die Universitäre Altersmedizin Felix Platter (UAFP) kann die Abschreibungen auf ihren Neubau nicht mehr tragen. Dies hatte eine Wertberichtigung zur Folge, welche die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler letztes Jahr 92,2 Millionen Franken kostete. Wie beurteilen Sie diesen Vorgang?

Ähnliches geschieht aktuell in der ganzen Schweiz, etwa beim Kantonsspital Aargau. Im Kanton Zürich kämpft aktuell das Spital Uster mit finanziellen Problemen. Viele Spitäler klagen über die mangelnde Finanzierung aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. In letzten Jahren lancierten Spitäler eine Menge Grossprojekte. Es trafen gegensätzliche Entwicklungen aufeinander: Auf der einen Seite tätigten die Spitäler hohe Investitionen in die Infrastruktur und auf der anderen Seite zog der Spardruck an. Spitäler kommen zunehmend in eine erhebliche Schieflage.

Die UAFP weist nach der Wertberichtigung ein negatives Eigenkapital von rund 9 Millionen Franken aus. Wie ist es möglich, dass ein Unternehmen mit negativem Eigenkapital weiter besteht?

Bei einer Überschuldung nach den üblichen Grundsätzen, wie wir sie auch aus dem Obligationenrecht kennen, müsste es jetzt in der UAFP zu einer Sanierung kommen. Dafür müsste sie nach meiner rechtlichen Einschätzung das Gericht angehen. Das Gericht müsste in der Folge Sanierungsmassnahmen anordnen. Solange kein Liquiditätsproblem besteht, kann der Betrieb jedoch aufrechterhalten werden. Das Problem entsteht erst, wenn Löhne nicht mehr gezahlt werden können. Da vorliegend die Abschreibung von der öffentlichen Hand getragen wird, musste der Verwaltungsrat jedoch keine Sanierungsmassnahmen einleiten, auch wenn das Vorgehen des Kantons ohne Rechtsgrundlage erfolgte.

Welche Pflichten hat der Verwaltungsrat eines öffentlichen Spitals bei Überschuldung? Unterscheiden sich diese von denjenigen eines Spitals mit privater Trägerschaft?

Ich habe beim Erstellen meines Gutachtens festgestellt, dass das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) für solche Fälle nur bedingt geeignet ist, da es nur am Rand an die öffentliche Hand denkt. Es gibt zwar ein spezielles Gesetz für den Konkurs von kantonalen Körperschaften wie Gemeinden. Aber bei Anstalten, wie die UAFP eine ist, hat man nicht an den Konkursfall gedacht; dennoch müsste im Sanierungsfall der Richter angegangen werden. Ich denke, der Regierungsrat müsste dem Verwaltungsrat entsprechende Anweisungen geben, eine Sanierung in Gang zu setzen. Wenn der Verwaltungsrat diese Anweisung nicht befolgt, müsste der Regierungsrat ihn auswechseln mit Personen, bei denen er die Garantie hat, dass sie entsprechend handeln. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pflichten eines Verwaltungsrates einer privaten Aktiengesellschaft und der UAFP, einer selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt, an dieser Stelle deckungsgleich sind. Da jedoch bislang die öffentliche Hand den Ausfall faktisch deckt, liegt noch kein Sanierungsfall vor.

Die UAFP hat beim Kanton Basel-Stadt neues Eigenkapital beantragt. Welche juristischen Voraussetzungen müssten für eine solche «Finanzspritze» erfüllt sein?

Das Beispiel der Credit Suisse hat gezeigt: Der Staat musste selbst dort bei der Hilfestellung auf das Gesetz zurückgreifen, indem eine Notverordnung erlassen wurde. Es braucht eine klare gesetzliche Grundlage für die Finanzspritze, und diese ist im Kanton Basel-Stadt nicht vorhanden. Es ist möglich, dass der Kanton Basel-Stadt nun die Gesetzgebung anpasst und sagt, er leistet einen finanziellen Beitrag an die UAFP. Ich denke nicht, dass hier das Notrecht zum Zug kommt, denn es handelt sich hier nicht um einen Fall, bei dem das Gesundheitswesen vollständig erschüttert wird. Das Geld müsste meines Erachtens als Darlehen gegeben werden, damit es irgendwann wieder zu einem Ausgleich kommt. Zudem müsste die gesetzliche Regelung trägerschaftsneutral verfasst sein.

Könnte also auch ein gemeinnütziges Privatspital in ähnlicher Situation auf finanzielle Unterstützung zählen?

Ein trägerschaftsneutrales Gesetz würde bedeuten, dass Spitäler unabhängig von der Trägerschaft in vergleichbaren Situationen Anspruch auf finanzielle Unterstützung erheben könnten. Wenn sich Privatspitäler beim Bau verkalkulieren oder die Marktentwicklung falsch einschätzen und sie essenziell für die entsprechende Versorgung sind, müssten sie auch Anspruch auf finanzielle Unterstützung haben. So sieht die aktuelle Lösung im Kanton Zürich aus.

Gutachten von Prof. Dr. Tomas Poledna zu kantonalen Beiträgen an Spitäler - Kanton Basel-Stadt

Rechtsgutachten von Prof. Dr. Bernhard Rütsche: Grenzen kantonaler Beiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) von Spitälern

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